Aus dem Vorwort
„Retortenbaby", für den einen eine neue Hoffnung auf Erfüllung des bisher vergeblichen Wunsches nach einem eigenen Kind, für einen anderen eine bedenkliche Entwicklung in der modernen Medizin, ein „zweiter biblischer Sündenfall", für einen dritten eine Chance zur wissenschaftlichen Profilierung, für einen vierten ein weiterer Schritt zur Verwirklichung einer „genetischen Utopie" . . . Die möglichen Aspekte dieses Themas sind vielfältig und für einen einzelnen Menschen schwer zu durchschauen. Deshalb erschien es mir sinnvoll, einmal dazu Beiträge verschiedener Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zusammenzubringen, ohne jedoch eine zusammenfassende Bewertung vorzunehmen. Dieses bleibt dem Leser, der sich zum Thema eine Meinung bilden möchte, selbst vorbehalten.
Da die „Retortenbaby"-Methode nicht isoliert zu sehen ist, werden im ersten Kapitel (vom Herausgeber des Buches) verschiedene Wege vorgestellt, auf denen der Mensch Eingriffe in die Fortpflanzung vornimmt. Dieser zentrale Lebensprozeß, bei dem genetische Information als Steuerungseinheit des Lebens in Abhängigkeit von der momentanen Umwelt weitergegeben wird und neue Individuen entstehen läßt, war schon seit langer Zeit Ziel von Manipulationsversuchen durch den Menschen bei sich selbst, aber auch bei Pflanzen und Tieren. Heute jedoch greift der Mensch auf zellulärer und molekularer Ebene ein. Hier stellt sich nun in besonderem Maße die Frage nach der Verantwortbarkeit, aber auch der Verantwortlichkeit.
In den Kapiteln II und III stellen Ärzte (Priv.-Doz. Dr. Diedrich und Prof. Dr. Krebs sowie Prof. Dr. Mettler), die in Lübeck und Kiel bei Patienten die In-vitro-Fertilisation und die Embryotransfers durchführen, ihre Behandlungsmethoden im medizinischen Zusammenhang vor.
Im Kapitel IV nimmt ein weiterer Arzt (Prof. Dr. Schwinger) aus humangenetischer Sicht zu diesem Verfahren Stellung, weist auf Unsicherheiten und Gefahrenpunkte hin und wägt ihre Bedeutung ab.
Um die In-vitro-Fertilisation und den Embryotransfer in einen experimental-bio-logischen Zusammenhang einzuordnen, wird im Kapitel V aufgezeigt, welche biologischen Möglichkeiten heute im Tierexperiment gegeben sind. Im Kapitel VI von Prof. Dr. Hahn werden speziell die biologischen und methodischen Grundlagen der In-vitro-Fertilisation, der Embryokultivierung und des Embryotransfers erläutert. Ein Kapitel (VII) von Prof. Dr. Traut über experimentell-genetische Manipulationsmöglichkeiten rundet den naturwissenschaftlichen Teil des Buches ab.
Im zweiten Teil des Buches geht es neben juristischen und sozialwissenschaftlich-psychologischen auch um ethische Aspekte der extrakorporalen Befruchtung. Prof. Dr. Ostendorf untersucht zunächst, ob in strafrechtlicher, privatrechtlicher und versicherungsrechtlicher Hinsicht Probleme bei der Anwendung dieser Methoden in der Humanmedizin entstehen und macht Vorschläge für die Gesetzgebung. Prof. Dr. Lukesch unterzieht die medizinische Praxis und die persönlich-familiären Bedingungen einer umfassenden sozialpsychologischen Beurteilung. In den letzten beiden Kapiteln kommen ein evangelischer (Dr. Eibach) und ein katholischer Theologe (Prof. Dr. Gründel) zu Wort und stellen die in den modernen Naturwissenschaften häufig vernachlässigten ethischen Aspekte dar.
Grundlegende biologische Fakten und methodische Daten sind außerhalb von Fachkreisen unbekannt; nur so konnte die Bezeichnung „Retortenbaby" entstehen. Andererseits werden psychologische und ethische Fragen im Einzelfall der medizinischen Behandlung häufig zu wenig berücksichtigt. Patienten und Ärzte sind vielleicht überfordert. Dieses Buch möchte deshalb sachlich über die verschiedenen Aspekte informieren. Es versucht, einen Überblick über das Thema „Retortenbaby" zu bieten, aber weiterhin auch Ansatzpunkte und Hinweise für ein tieferes Eindringen in Einzelaspekte und Randbereiche zu geben.
Das Buch ist vergriffen und kann nur noch antiquarisch oder als Neuexemplar direkt beim Autor erworben werden.